Typologie der Verhältniswahlsysteme nach Nohlen

– Die reine Verhältniswahl wird beispielsweise in den Niederlanden praktiziert, hierbei wird bei der Sitzverteilung das ganze Land als ein Wahlkreis betrachtet, so dass es eine direkte Proportionalität zwischen der Stimmverteilung und der Zusammensetzung des Parlaments gibt. Die Wahl wird als reine Listenwahl durchgeführt. Um Kleinstparteien bei der Sitzverteilung auszuschließen, gibt es bei der reinen Verhältniswahl in der Regel Sperrklauseln.

– In sehr vielen Ländern, darunter Spanien, Brasilien, Argentinien, Dänemark und die Schweiz, erfolgt die Parlamentswahl als Verhältniswahl in mittleren bis großen Mehrpersonenwahlkreisen. Bei diesem System werden die Mandate pro Wahlkreis entsprechend dem jeweiligen Stimmenverhältnis vergeben. Inwiefern das Gesamtergebnis proportional zur Gesamtstimmverteilung ist, hängt seht stark von der jeweiligen Wahlkreisgröße ab, so schwankt z.B. in Spanien die Wahlkreisgröße zwischen 2 und 33 Sitzen. Da auch hierbei die Wahl über Listen erfolgt, wird mit dem System zwar normalerweise eine sehr gute Repräsentanz erreicht, eine Konzentration ist aber ebenso wenig gegeben, wie eine Möglichkeit für den Wähler, einzelne Kandidaten zu präferieren.

– Die kompensatorische Verhältniswahl ist in der Regel mit einer Sperrklausel ausgestattet und basiert zunächst auf einer relativen oder absoluten Mehrheitswahl. Um eine den Stimmen entsprechende proportionale Sitzverteilung zu gewährleisten, wird die Mandatsverteilung über eine sogenannte zweite Säule kompensiert, dabei werden entweder direkt gewonnene Mandate abgezogen, oder auf Basis der Reststimmen zusätzliche Mandate verteilt. Die Repräsentanz ist dadurch ebenso gewährleistet, wie ein Einfluss auf die Wahl einzelner Kandidaten, das System ist aber für den Wähler nur schwer durchschaubar. Dieses Wahlsystem wird in modifizierter Form in Italien angewandt.

– In Deutschland kommt bei der Bundestagswahl die personalisierte Verhältniswahl unter Einbeziehung einer Sperrklausel zur Anwendung. Auch hier kommt eine Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahl zum Einsatz. Jeder Wähler hat bei diesem System zwei Stimmen, mit der ersten wird zunächst, entsprechend einem relativen Mehrheitswahlsystem, in jedem Wahlkreis ein Direktmandat vergeben. Mit der Zweitstimme erfolgt eine Listenwahl, die die Basis für die Gesamtmandatsverteilung bildet, d.h. jede Partei erhält insgesamt so viele Mandate, wie es dem Verhältnis der Zweitstimmen entspricht. Durch diese Kombination wird sowohl eine gute Partizipation, also Einfluss auf die Vergabe der Direktmandate, als auch eine hohe Repräsentanz erreicht. Für den Wähler ist das Mandatsvergabeverfahren nicht sehr übersichtlich, da oft mit Überhang- und Ausgleichsmandaten gearbeitet werden muss. Die Sperrklausel verhindert auch in diesem Fall, dass Kleinstparteien in das Parlament einziehen.

– Weiterhin gibt es noch das System der übertragbaren Einzelstimmgebung (engl. Single Transferable Vote STV), wie es in Australien, Malta oder Irland eingesetzt wird, bei den beiden Letztgenannten jeweils in Kombination mit der Mehrheitswahl in kleinen Mehrpersonenwahlkreisen. Bei diesem System gibt es keine Listen, jeder Wähler kann die Kandidaten seines Wahlkreises nach seiner Präferenz ordnen. Die Mandatsverteilung ist hierbei ziemlich langwierig, zunächst werden die Erstpräferenzen betrachtet, dann die Zweitpräferenzen usw. Inwiefern das Ergebnis die Stimmverteilung widerspiegelt, hängt sehr stark von der Wahlkreisgröße ab, auf die Zusammensetzung des Parlaments bzgl. der Parteien haben die Wähler kaum Einfluss.

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